chesed (hebr.) – Freundlichkeit, Güte, Zuwendung, Gnade; chen (hebr.) – Anmut, Wohlwollen, Wohltaten; chanun (hebr.) – freundlich, gütig, gnädig; charis (griech.) – Anmut, Dank, Zuwendung.

Die in diesem Artikel versammelten Wörter und Wortfelder bezeichnen die einander erwiesene freundliche, gütige, herzliche Zuwendung. chesed ist zunächst die familiäre und nachbarschaftliche Hilfe, das Maß an gegenseitiger Unterstützung, zu dem man sich verpflichtet fühlen kann, ohne dazu formal-rechtlich verpflichtet zu sein. Diese Zuwendung, die Familie, Nachbarschaft und (vor allem in Gesellschaften ohne zentrale staatliche Herrschaft) das soziale Leben aufrechterhält, gehört zum Recht und überschreitet es zugleich als freiwillig gewährte freundliche Gabe. chesed ist eine Haltung und ein Tun. Das Lieben, d. h. das freudige Tun von chesed gehört zum Kern biblischer Ethik (Mi 6,8). Rut und ihre Schwägerin Orpa haben ihren verstorbenen Männern und ihrer Schwiegermutter Noomi chesed erwiesen, und so wünscht ihnen Noomi, Gott möge ihnen ebenso chesed erweisen (Rut 1,8). Ein zweites von vielen möglichen biblischen Beispielen: Der greise Jakob bittet seinen Sohn Josef, ihn nicht in Ägypten zu begraben. Den Vater zu begraben gehört zur Sohnespflicht. Die Gewährung der weiter gehenden Bitte, ihn nicht in Ägypten zu begraben, geht über die Pflicht hinaus und ist chesed (Gen 47,29). Jakobs Bitte gründet darin, dass er in Josefs Augen chen gefunden habe. chen ist der Liebreiz, die Anmut, die eine Person ausstrahlt und die in den Augen einer anderen, oft höhergestellten, Person Anerkennung, Wohlgefallen, Wohlwollen und dann auch Wohltaten hervorruft. So findet Rut chen in den Augen des Boas (Rut 2,10). Lot hat in den Augen des Gottesboten Zuneigung (chen) gefunden, die sich als Freundlichkeit (chesed), in diesem Fall als Lebensrettung verwirklicht (Gen 19,19). Josef findet chen, Anerkennung, in den Augen Potifars und des Gefängnischefs (Gen 39,4.21). Ästhetik und Ethik kommen in diesen Wortfeldern zusammen. Für chesed konstitutiv und auch für chen zu berücksichtigen ist die Wechselseitigkeit der Beziehung. Darin liegt ein Problem der in vielen Bibelübersetzungen üblichen Wiedergabe beider Worte mit Gnade. Richtig daran ist die Betonung des Nicht-Herstellbaren, jedes Verdienst Überschreitenden; die ebenso grundlegende Gegenseitigkeit kommt im Wort Gnade dagegen nicht zum Ausdruck.

Auch da, wo von Gottes chesed-Erweisen die Rede ist oder Gott chanun genannt wird, geht es um eine Beziehung, so etwa in der Gottesrede Ein mitfühlender, gnädiger (chanun) Gott bin ich, langmütig, treu und wahrhaftig (Ex 34,7; Ps 78,38, vgl. auch Ex 20,5 f). Gottes chesed und chen stehen für die liebevolle, umsichtige und nachsichtige Treue zu Menschen und zum Volk Israel. Diese Freundlichkeit Gottes ist von Dauer (so der immer wiederkehrende Leitsatz in Ps 136).

Das griech. Wort charis (von dem Charme abgeleitet ist) nimmt im NT das Wortfeld chesed und vor allem chen und die darin ausgedrückten wechselseitigen Beziehungen auf. Es steht für Anmut (Kol 3,16), für die Zuwendung und Freundlichkeit Gottes (Röm 3,24; 5,2; 6,23), die sich bei denen, denen sie zuteil wird, in der Gabe verwirklichen kann, im Namen Jesu zu wirken (Röm 1,5). Es bezeichnet aber auch den Dank (Röm 6,17) als Reaktion auf Gottes Zuwendung. Besonders deutlich wird das Beziehungsgeflecht, das sich im Wort charis ausdrückt, in 2 Kor. Hier verbindet der eine Begriff alle Beziehungsebenen: die gegenseitigen zwischen Gott und Menschen und die der Menschen untereinander, was das deutsche Wort Zuwendung besser ausdrücken kann als das übliche Gnade. Der Zuwendung (Gnade) Gottes (1,2) und Jesu (8,9) entspricht die des Paulus zur Gemeinde (1,15). Daraus folgt die materielle Zuwendung als Hilfe für die armen Gemeinden in Jerusalem (8,4.6.7; 9,8). Alles mündet in die Zuwendung zu Gott im Dank aller Beteiligten (8,16; 9,15).
(J. E.)