Glaube, glauben.

Dass der Begriff des Glaubens zum entscheidenden Schlüssel für die Beziehung zu Gott wird, ist alles andere als selbstverständlich. Die meisten Religionen, zumal polytheistische wie in der Umwelt des biblischen Israel, kommen ohne einen solchen Begriff aus oder er spielt lediglich eine Nebenrolle, denn sie gehen allein von Erfahrungen aus und bleiben mit Erfahrungen identisch. Die biblischen Sachverhalte, die mit diesen Worten gemeint sind, werden also verfehlt oder doch höchst unzulänglich erfasst, wenn lediglich unser abgeflachter Alltagsgebrauch im Sinne von etwas für wahr halten oder die gemeinsamen kulturellen oder religiösen Vorstellungen (Glaube der Ägypter o. Ä.) im Blick sind.

Alle im Folgenden vorgestellten Worte aus beiden Sprachen gehören dem Wortfeld fest, beständig, zuverlässig, treu (sein), vertrauen an und bei den meisten ist es weder üblich noch nahe liegend, sie mit glauben zu übersetzen. Das gilt zunächst für die beiden hebr. Nomina, deren spezifische Differenz im Deutschen ohne umständliche Umschreibungen kaum wiederzugeben ist. Gegenbegriffe sind für beide häufig Worte für Lüge, Täuschung, Trug; parallel stehen oftmals ↑ chesed oder Worte für ↑ Gerechtigkeit.

emet (hebr.) – Festigkeit, Zuverlässigkeit, Treue, Verlass, Wahrheit.

Die Verwendung reicht von der Kennzeichnung von Vorgängen (wer Gerechtigkeit sät, erhält sicheren Lohn Spr 11,18; verlässliches Zeichen Jos 2,12) über die von Personen (ehrlicher Mann Neh 7,2; wer etwas wahrheitsgemäß bezeugt Spr 14,25) bis zu Grundsatzaussagen über Gottes Wort (deine Worte sind zuverlässig 2 Sam 7,28; Gottes Urteile … sind verlässlich Ps 19,10) und zur Kennzeichnung Gottes selbst. Gott ist el / elohe emet, die treue Gottheit (Ps 31,6) oder die wahre Gottheit (2 Chr 15,3). Das alles zeigt, wie sehr der Begriff mit Wahrheit zusammenhängt, ja im Grunde der entscheidende hebr. Ausdruck für Wahrheit ist. Wenn die Völker das Handeln des Gottes Israels erkennen, sagen sie: emetEs ist wahr! (Jes 43,9).

emuna (hebr.) – Zuverlässigkeit, Treue, Redlichkeit, Gewissenhaftigkeit.

Im Wort emuna geht es im Verhältnis zu emet etwas stärker um ein Verhalten oder ein Tun, das der Zuverlässigkeit entspricht oder sie bewirkt. So kann es eine vertrauensvolle Stellung bezeichnen (1 Chr 9,22), oder die Tatsache, dass die Hände des Mose lange Zeit zuverlässig und fest erhoben waren (Ex 17,12). Das Wort kennzeichnet ehrliches, verlässliches Verhalten im Handel, bei Botschaften und von Zeugen (z. B. 2 Kön 12,16; Spr 13,17; 14,5) oder die Treue in einer Beziehung (Hos 2,22). Fehlt emuna im Land, herrschen Chaos und Willkür (Jer 5,1 u. ö.). Alle Taten Gottes geschehen in Treue (Ps 33,4). Und wenn Gott el emuna genannt wird (Dtn 32,4), meint das wohl nicht zuletzt, dass Gott sich selbst treu bleibt.

amen (hebr. / griech.) – Amen!, Wahrhaftig!, So sei es!

Das bekannteste Wort dieser Wortgruppe ist vom NT und dann von der christlichen Liturgie unübersetzt übernommen worden. Es wird im AT als bestätigende Entgegnung auf einen Wunsch (1 Kön 1,36) oder zur In-Kraft-Setzung von Flüchen (Dtn 27) verwendet, im NT auch als vorangestellte, Nachdruck verleihende Formel: Wahrhaftig, ich sage euch (Mt 5,18 u. ö.). Vor allem findet es sich in liturgischen Zusammenhängen. So antwortete das Volk auf ein Lob Gottes mit Amen, amen (Neh 8,6). Es findet sich im Abschluss der fünf Bücher des Psalters (41,14; 72,19; 89,53; 106,48) als Gliederungssignal und von daher als Psalmschluss (1 Chr 16,36), im NT häufig nach Formeln wie in Ewigkeit / durch Zeiten und Welten (Röm 1,25; 9,5) oder als Abschluss der Offb 22,20) und damit des NT. Auch dieses Wort kann Gott selbst (Jes 65,16) oder den erhöhten Christus (Offb 3,14) bezeichnen.

aman (hebr.) – fest, beständig, zuverlässig, treu, trauen, vertrauen, glauben.

Das Verb kann einmal eher adjektivisch verwendet werden (im sog. Nifal-Stamm): fest, beständig, zuverlässig, treu (sein). Da kann es um verlässlich fließendes Wasser gehen (Jer 15,18), um die Zusage an David, dass sein Königtum für immer Bestand haben soll (2 Sam 7,16) oder um Gottes zuverlässige Zuwendung an ihn (Jes 55,3). Zum anderen geht es um ein aktives Praktizieren (Sich-fest-machen) im Sinne von trauen, vertrauen, glauben (sog. Hifil-Stamm). Das kann ein durchaus kritisch gesehenes Alltagsverhalten sein: Wer unerfahren ist, schenkt allen Worten Glauben (Spr 14,15). So wird Jeremia vor seiner Familie gewarnt: Trau ihnen nicht (Jer 12,6; vgl. 1 Sam 27,12). Der theologische Glaubensbegriff setzt dieses Wort zur Bezeichnung eines die Praxis prägenden Gottesverhältnisses ein. Von weit reichender Wirkung und vielleicht die älteste einschlägige Formulierung ist Jes 7,9 (vgl. 2 Chr 20,20): Wenn ihr nicht beständig vertraut, werdet ihr keinen Bestand haben. Es geht um ein Wortspiel mit den beiden erwähnten Verbformen. Der Zusammenhang in Jes 7 macht dabei deutlich: Das geforderte Vertrauen, an dem der Bestand des Königshauses hängt, wäre ein konkretes, die effektive Politik bestimmendes Verhalten. So ist Glauben hier ein die Lebenspraxis bestimmendes, vertrauensvolles Verhalten geworden. Die Rede von einem entsprechenden Glauben durchzieht die Erzählung vom Exodus aus Ägypten (Ex 4,1.5.31; 14,31). Eine weit reichende Schlüsselstellung hat schließlich Gen 15,6 erlangt: Abraham glaubte … Adonaj und zählte es als eine Tat der Gerechtigkeit. Glaube wird hier als Verhalten verstanden, das auf die Zusage Gottes bereits wie auf den effektiven Vollzug der Gerechtigkeit reagiert.

pisteuo (griech.) – vertrauen, glauben; pistis (griech.) – Vertrauen, Glaube.

Während ein profaner; alltäglicher Gebrauch selten ist (Apg 9,26; 1 Kor 11,18: zum Teil glaube ich es; eher als Bedeutung für das Adjektiv pistos z. B.: ein treuer … Sklave Mt 24,45; im Kleinen zuverlässig Lk 19,17) führt der theologische Gebrauch sachlich die atl. Linie weiter. Doch ist er jetzt überaus häufig, kommt in nahezu allen ntl. Schriften vor und prägt schon von der Zahl der Belege her das ganze NT. So wird das gesamte Wirken Jesu unter die Forderung gestellt: vertraut dem Evangelium! (Mk 1,15). Gemeint ist eine Lebenspraxis, die dem kommenden Gottesreich schon in der Gegenwart entspricht. Ein solches Vertrauen ist das Gegenteil von Furcht (Mk 4,40), bewegt Berge (Mt 17,20) und verändert Menschen (Es ist dein Vertrauen, das dich gerettet hat Mt 9,22 u. ö.). Es kann auch von Menschen aus den Völkern vollzogen werden: Nicht einmal in Israel habe ich solch' ein Vertrauen gefunden (Mt 8,10).

Das Joh stellt die ganze Jesusgeschichte unter den Begriff des Glaubens (1,7), der dann das gesamte Evangelium durchzieht: Alle, die an ihn glauben, werden nicht gerichtet (Joh 3,18). Der Hebr gibt geradezu eine Definition von Gottvertrauen. Es ist die Grundlage dessen, was Menschen hoffen, und Beweis von Dingen, die Menschen nicht sehen (11,1). In Hebr 11 wird dann der Begriff zum Leitfaden eines Durchgangs durch die gesamte Schrift, beginnend mit der Schöpfung und mit Gestalten der Urzeit wie Abel und Henoch (11,3-5).

Besonders ist es aber Paulus, der im Röm den Begriff in den Mittelpunkt stellt. Die Gerechtigkeit Gottes bewirkt, dass Menschen auf Grund von Vertrauen gerecht gesprochen werden – ohne dass die ganze Tora getan wurde (Röm 3,28). Gerade hier aber wird deutlich, wie leicht die bei uns verbreitete Vorstellung vom Glauben den biblischen Befund gar nicht mehr wirklich wahrnehmen kann. So fragt Paulus im Zusammenhang mit Israel in Röm 3,3: Wenn einige diesem Vertrauen nicht entsprechen, wird dann etwa Gottes Vertrauen zerstört, weil sie nicht vertrauen? Hier wird also der Begriff des Vertrauens / Glaubens auch auf Gott selbst angewandt. Das Wortspiel nötigt dazu, will man das Wort mit Glauben übersetzen, zu formulieren, dass dieser Mangel natürlich Gottes Glauben (an Israel) nicht aufheben kann. Noch elementarer verstellt die Vorstellung eines Glaubens an Jesus Christus nicht selten die theologische Grundlage des Paulus, dass es nämlich dabei um denselben Glauben geht, den bereits Abraham hatte (Röm 4; vgl. Gal 3), um ein Vertrauen darauf, dass Gott die Toten lebendig macht und das Nichtseiende ins Dasein ruft (Röm 4,17). (F. C.)