Gesetz.

Die Bibel in gerechter Sprache will mit der Erkenntnis ernst machen: Die Rede von dem Gesetz, das im Sinne der Summe der Forderungen und Gebote Gottes dem Evangelium gegenübersteht, womöglich durch dieses abgelöst oder aufgehoben wird, wird dem biblischen Befund in keiner Weise gerecht. Deshalb ist es notwendig, die inneren Differenzierungen und das jeweils inhaltlich Gemeinte auszusprechen.

tora (hebr.) – Tora, Weisung, Lehre. Das Wort verbindet auf allen Ebenen des Gebrauchs Instruktion und Information mit daraus erwachsender Verhaltensnormierung, was mit keinem deutschen Wort wirklich wiedergegeben werden kann (am ehesten noch Weisung). Deshalb wird es auch in der Übersetzung nicht selten als Fremdwort beibehalten. Der Begriff wurzelt im Alltag bei der Unterweisung der Mutter an die Kinder (Spr 1,8; 6,20), des Weisheitslehrers (7,2) oder Propheten (Jes 8,16) an die Schüler. Tora ist dann Fachterminus für die Lehre der Priester (Jer 18,18; Beispiel: Hag 2,10-14) und davon geprägte Kultgesetze (Lev 6,2.7). Auf diesem Hintergrund wird das Wort im Dtn zur Bezeichnung der einen, schriftlich vorliegenden Weisung Gottes, also des Buches der Tora, das eine Fülle von Einzelbestimmungen umfasst (Dtn 4,44 f; 30,10). Schon im Dtn (1,5), erst recht dann als Bezeichnung für den gesamten Pentateuch, gehört jedoch die Erzählung von Gottes befreienden Taten und der daraus erwachsenden Gottesbeziehung zum Begriff dazu. Tora ist damit das biblische Wort für die Einheit von Zuspruch und Anspruch, Gesetz und Evangelium. Das erklärt die Hochschätzung der Tora: Wie liebe ich deine Weisung! (Ps 119,97), es geht um eine Orientierung, die Glück bringt, Freude und Lust macht (Ps 1; 19).

nomos (griech.) – Gesetz, Gesetzesordnung, Tora. Wie unser Wort Gesetz bezeichnet nomos die Gesetze einer Stadt oder eines Landes. Es ist aber in der griech. Übersetzung des AT die bei weitem wichtigste Wiedergabe von tora und meint auch im NT meistens das Gesetz des Mose, die Tora. In der Jesustradition wird dabei mit eindeutigen Worten betont: Denkt nicht, ich sei gekommen, die Tora und die prophetischen Schriften außer Kraft zu setzen! (Mt 5,17). Sie gilt, solange die Schöpfung steht (V. 18; ebenso Lk 16,17, was das übliche Verständnis von Lk 16,16 hinfällig macht) und wird von Jesus ausgelegt. Für Paulus ist Christus gekommen, damit das Recht der Tora durch uns [Juden und Menschen aus den Völkern] erfüllt werden kann (Röm 8,4), was bisher wegen der Sünde nicht geschah. Die Kritik an den Gesetzesordnungen im Gal gilt möglicherweise nicht der Tora, sondern den Gesetzen des römischen Imperiums (s. Einl. zu Gal). In Röm 10,4 geht es also sicher nicht um das Ende des Gesetzes / der Tora, sondern um seine Ausrichtung auf den Messias. Und weder das Gesetz des Messias (Gal 6,2) noch das vollkommene Gesetz der Freiheit (Jak 1,25) sind von ihr zu trennen.

mischpat (hebr.) – Recht, Anspruch, Urteil, Rechtssatz. Das zugrunde liegende Verb schafat bezeichnet ein Handeln, durch das die gestörte Ordnung der Rechtsgemeinschaft wiederhergestellt wird, also richten im Sinne von schlichten und urteilen, aber auch regieren. Das Nomen mischpat ist der wichtigste Rechtsterminus des AT und bezeichnet das, was einer Person rechtlich zusteht. Das ist der Anspruch bzw. Anteil (das Recht der Priester 1 Sam 2,13), sodann das Urteil in einem Prozess (1 Kön 3,28), darüber hinaus der einzelne Rechtssatz wie die Sammlung solcher Sätze in einem Rechtsbuch (Ex 21,1), schließlich so etwas wie das Recht (das Recht … zu den Völkern hinausbringen Jes 42,1).

mizwa (hebr.) – Befehl, Gebot, Verbot. Das zugrunde liegende Verb ziwwa heißt befehlen, gebieten (2 Sam 13,28 f). mizwa bezeichnet entsprechend den Befehl, in Bezug auf Gott eine konkrete Einzelanweisung (1 Sam 13,13), dann vor allem die einzelnen Gebote bzw. Verbote (Num 15,22; Lev 4,2). Das Wort kann aber auch ähnlich wie tora das Ganze der Gebote meinen: Dies ist das Gebotene: die Bestimmungen und Rechtssätze (Dtn 6,1; vgl. 5,31).

entole (griech.) – Anordnung, Gebot. mizwa wird in der griech. Übersetzung des AT meist mit entole wiedergegeben. Das Wort kann im NT die konkrete Anordnung einer Behörde bezeichnen (Joh 11,57), meint aber vor allem die einzelnen Gebote des AT, so in der Frage: Welches Gebot in der Tora ist das größte? (Mt 22,36; vgl. Röm 13,9). Das neue Gebot Jesu (Joh 13,34) ist ein altes Gebot, das ihr von Anfang an hattet (1 Joh 2,7). Und in Röm 7,12 wird über die entole gesagt, dass sie heilig, gerecht und gut ist, womit in Parallele zu nomos offenbar die ganze Tora gemeint ist.

edut (hebr.) – Bezeugung, Zeugnis, Verpflichtung. edut hängt wie das verwandte eda / edot mit ed, zusammen, dem Zeugen, dem im damaligen Recht eine zentrale Rolle zukam. edut ist ein meist schriftliches Dokument, mit dem etwas bezeugt wird. Der König bekommt eine solche Urkunde mit für uns unbekanntem Inhalt bei seiner Krönung überreicht (2 Kön 11,12). Vor allem empfängt Mose ein solches Dokument, die Tafeln des Zeugnisses, am Sinai (Ex 31,18), das dann in die Lade gelegt werden soll (Ex 25,16), den Schrein des Zeugnisses (Jos 4,16), und im Allerheiligsten seinen Platz findet. Im Erzählzusammenhang geht es dabei um die Tafeln mit den zehn Worten (↑ davar). Doch wird der Begriff auch allgemein benutzt. So ist es nach Ps 122,4 Verpflichtung für Israel – zu loben den Namen des Ewigen.

anomia (griech.) – Gesetzlosigkeit, Rechtlosigkeit, Toralosigkeit. Das Wort heißt wörtlich ohne nomos, also ohne Gesetz und bezeichnet Zustände oder Vorgänge der Gesetz- und Rechtlosigkeit (Übertretung Röm 4,7). Da nomos im NT meist eine Bezeichnung für die Tora ist, ist mit anomia entsprechend die Toralosigkeit (Hebr 1,9), ein Leben ohne Tora (2 Kor 6,14) oder gar Feindschaft gegen die Tora (2 Thess 2,7) gemeint. In 2 Thess wird sie mit einem konkreten Torafeind (2,8) zusammengebracht. (F. C.)